Die Zahl der obdach- und wohnungslosen Menschen in Hannover steigt weiter. Der „Wohnraummangel“ ist allseits bekannt. Eine Wohnung zu finden ist also fast unmöglich. Und auch die städtischen Obdächer sind für viele wohnungslose Menschen keine Option, um den Winter sicher zu überleben. Betroffene berichten von unwürdigen Zuständen: Von fehlender Privatsphäre über mangelnde Hygienestandards bis hin zum Erleben physischer und psychischer Gewalt.
 
Das Thema ist nicht neu: Im Sommer 2020 machten Aktivist*innen im Zuge der Corona-Pandemie auf die Lebensverhältnisse wohnungsloser Menschen aufmerksam. Im Herbst 2020 forderte die breit angelegte Kampagne „Sonst Besetzen Wir“ die Stadtpolitik auf, praktische Maßnahmen zu ergreifen, damit die Menschen endlich ihre Obdachlosigkeit beenden bzw. unwürdige Mehrbettzimmer in Sammelunterkünftenverlassen können.
 
Das Europäische Parlament ruft die EU und die Mitgliedstaaten auf, Obdachlosigkeit in der Union bis 2030 zu beenden. Die Stadt Hannover möchte dieses Ziel „aktiv unterstützen“.
 
Die Stadtverwaltung strickt jedoch von Jahr zu Jahr nur sogenannte „Winternothilfeprogramme“, um der „überraschenden“ Kälte zu begegnen und sich „solidarisch“ zu zeigen: Wer braucht schon eine eigene Wohnung, wenn er den Winter im Kröpcke verbringen darf? Von der städtischen Politik enttäuscht besetzten Aktivist*innen und wohnungslose Menschen daraufhin öffentlichkeitswirksam Gebäude der Stadt, die ohnehin für wohnungslose Menschen zur Verfügung stehen sollten. Diese stehen jedoch seit Jahren leer und schimmeln vor sich hin. Die Stadt setzte die Menschen – begleitet durch ein enormes Polizeitaufgebot und Strafanzeigen wegen Hausfriedensbruch – kurzerhand wieder auf die Straße.
Anfang 2022 wurde am selben Ort erneut eine stille Besetzerin in die Obdachlosigkeit geräumt. Fortschritte sind hier bis heute nicht zu sehen.
 
Neben diesem kurzzeitig besetzten Gebäudekomplex „Rote Reihe“ in der Schulenburger Landstraße reden wir von drei weiteren städtischen Gebäuden, die auf ihre Inbetriebnahme warten. Die Beschlüsse, dass diese Gebäude als Unterkunft für Betroffene von Wohnungslosigkeit genutzt werden sollen, liegen zum Teil schon mehrere Jahre zurück. Schätzungsweise über 200 Menschen könnten in diesen Gebäuden in separaten Wohneinheiten untergebracht werden.
Auch private Eigentümer*innen können rechtlich legitimiert „ihren“ Wohnraum verfallen lassen oder auf Wertsteigerung hoffen, wie die Situation der Immobilie am Klagesmarkt 8 verdeutlicht, die seit mehr als sechs Jahren leer steht. Die bestehenden Eigentumsgesetze verhindern, dass das Recht auf Wohnen und menschenwürdiges Leben eigenständig durchgesetzt werden kann und Wohnraum nutzbar gemacht wird. Menschen, die dies versuchen, werden kriminalisiert.
 
Die letzten Jahre haben gezeigt, dass in der Stadtpolitik und kommunalen Verwaltung kein Interesse besteht, daran ernsthaft etwas zu ändern. Eine „Zweckentfremdungssatzung“ wurde im Juli 2021 im Stadtrat abgelehnt. Die Stadt Hannover hatte da anscheinend noch kein Interesse daran, 750 Wohnungen (die zurzeit als Ferienwohnungen dienen laut HAZ) wieder nutzbar zu machen. Anfang Dezember 2022 wurde dieser nun doch zugestimmt und es könnte damit zusätzlich geregelt werden, dass Eigentümer*innen, die Wohnraum mehr als 6 Monate ununterbrochen leer stehen lassen, mit hohen Geldbußen bestraft werden können. Dies ist nur ein kleiner Teilerfolg des öffentlichen Drucks.
 
Auch wenn Baufortschritte an manchen städtischen Gebäuden erkennbar sind, können wir die stetigen Verzögerungen, die nicht enden wollenden Vorplanungen, die Ausreden und das fehlende Interesse nicht länger abwarten.
 
Unsere Lösungen liegen nun in der Nachbarschaft. Unsere Solidarität bedeutet, leerstehenden Wohnraum nutzbar zu machen. 
Es ist von Wohnungslosigkeit betroffenen Menschen bereits gelungen, über einen längeren Zeitraum dem tödlichen Winter in einer besetzten Wohnung zu entkommen. Stille Besetzungen werden nicht öffentlich gemacht und haben somit nicht unbedingt Berührung mit der Polizei. Die Menschen sind nicht alleine und wir werden weiterhin Besetzungen unterstützen: Als legitimes Mittel, um sich das Menschenrecht auf Wohnen und würdiges Leben selbst zu verschaffen. 
 
Wir rufen Dich auf, uns über leerstehende Wohnungen und Häuser zu informieren!
 
Melde Dich (gerne auch anonym) bei folgender Mailadresse, wenn Du von Leerstand weißt, im Vorfeld Fragen klären willst oder selber Wohnraum brauchst und Leerstand für Dich nutzen willst:
 
leerstandmelden@riseup.net